Freitag, 13. August 2010

Noch kein outing

Hi,

Ich hab mir gedacht, ich beantworte die Fragen bezüglich meines Outings mal in einem eigenen Beitrag.

Warum oute ich mich eigentlich nicht?
- Das ist eine wirklich gute Frage, die ich mir selber schon oft genug gestellt habe! Warum nicht einfach sagen und alles rauslassen! Warum kann ich nicht zu mir selbst stehen? Denn ein outing heißt ja nichts anderes... es heißt nicht "hey Leute, ich bin schwul und werde ab Morgen rosa tragen und die schwule Dienstuniform anlegen".
Ich glaube auch, dass es mir besser gehen würde, wenn ich es einfach aussprechen könnte... aber es geht einfach nicht.
Ich habe in letzter Zeit viel darüber nachgedacht, warum es mir so schwer steht zu mir selbst zu stehen. Aber ich glaube es gibt einfach zu viele Mauern in meinem Kopf, die dem entgegenstehen.
Ich hatte bisher in meinem Leben auch nie wirklich Zeit dazu, mich um mich selbst zu sorgen, da ich immer größere Sorgen hatte.
In dem Alter in dem sich andere selbst finden konnten, war ich allein in einem Haus, mit meiner psychisch kranken Mutter und musste dafür sorgen, dass mein Leben nicht aus der Bahn läuft... und als die anderen ihre gefundenen Persönlichkeiten dann festigen konnten, fing ich an mein Geld selber zu verdienen und zog von Zuhause weg.
Während andere von ihren Eltern gesagt bekommen, dass sie sie Lieben egal was ist, kann ich mich nicht an das letzte Mal erinnern, dass jemand zu mir gesagt hat das er mich Liebt...
und ich habe es trozdem geschafft, mein Leben nicht zu versauen, und darauf bin ich stolz! Ich habe ein gutes Abi und kann das Studieren was ich will, wo ich will! Doch ich selbst bin dabei irgendwie auf der Strecke geblieben... und irgendwie bin ich immer noch das kleine Kind geblieben, dass immer noch geliebt werden möchte, aber nicht in der Lage ist, irgendjemand nah genug an sich ranzulassen, um das zuzulassen.. Und überhaupt wen aus meiner Familie sollte ich denn auch an mich herranlassen, ohne mich zu fragen wo er war, als ich mit 15 mit meiner Mutter Zuhause saß und wir nicht genug Geld hatten um vernünftiges Essen zu kaufen?
Die Narben aus dieser Zeit sitzen so tief, dass auch mit allem Vergeben, das mir möglich ist, Vergessen unmöglich scheint...

Ich wurde quasi nie richtig erzogen und musste mir selbst aneignen was anderen mitgegeben wurde und ich glaube, so kam es, dass ich mir ein Bild von mir schuf, dem ich nie gerecht werden konnte/kann und dieses Bild steht auch heute noch... und auf diesem Bild bin ich quasi ein Mensch, der durch moralische Größe aber auch durch sympathisches Auftreten und Intelligenz den Menschen keinen Grund zur Kritik gibt, denn ich glaube es ist leichter den moralischen, sympathischen und intelligenten Menschen zu lieben als den leichten emotionalen Krüppel, der sich gerade in diesem Beitrag offenbart.
Mir muss auch niemand sagen, dass es falsch ist, diese Ansprüche an sich selbst zu haben oder, dass diese Ansprüche auch dann noch zu erfüllen sind wenn ich mich als homosexuell oute, da mir das bewusst ist!

Aber diese Mauer aus Angst steht trotzdem, Angst dass die Menschen, deren Liebe ich nicht zulassen kann, aufhören mir ihre Liebe geben zu wollen... und so kommen die Worte einfach nicht über meine Lippen...

Gruß.
dus - 13. Aug, 20:55

absolut verständlich.

ich mag ja das wort "outen" garnicht.
die anderen gehen ja auch nicht rum und erzählen jedem "ich bin hetero". schöner ist es halt, wenn man sich nicht verstecken muss. d.h. nicht dass man in die welt rausschreien muss "ich bin homo".

ich lebe offiziell als "homosexuelle frau", seit vielen jahren schon, mein halbes leben vielleicht. vielleicht ist es bei männern noch etwas schwieriger aber aus meinem leben kann ich dir berichten, dass ich noch niemals deswegen probleme hatte mit meiner umwelt. ich posaune nicht in der gegend rum, ich bin eher ein zurückhaltender mensch und dir nicht unähnlich (...."und auf diesem Bild bin ich quasi ein Mensch, der durch Moralische Größe aber auch durch sympathisches Auftreten und Intelligenz den Menschen keinen Grund zur Kritik gibt," ...), aber ich habe auch nicht die unwahrheit gesagt. ich hab es so gemacht schon immer, als sei alles ganz normal. von daher habe ich nicht das gefühl von "outing" gehabt. ausser bei meinem großeltern. das fiel mir schwer und denen habe ichs dann irgendwann auf einen schlag serviert. oma und opa ich bin homo, ich heirate eine frau und wir bekommen ein kind. (friss oder stirb).

heute lebe ich im haus meiner großeltern. und die probleme die ich mit ihnen habe, haben nichts damit zu tun, wie und wen ich liebe.

mein großvater hatte mal gesagt (vor dem "outing"), mei jetzt hamma wieder csd, da solltens a bombe neischmeissen... usw

letztlich glaube ich, sie verstehen das alles nicht und akzeptieren das zwangsweise, sind beide ca. 80 jahre alt. aber: die mögen mich als mensch und enkel und das hilft.
auch überall anders, auch wenn man auf menschen trifft, denen homos suspekt sind... wenn sie einen mögen wiegt das mehr.
und die die einen nicht mögen da ist es eh wurscht....

am arbeitsplatz noch nie problem gehabt. im nahen umfeld auch nicht. und das weitere auch nicht bzw ist mir egal.
genauer: zu mir hat zumindest noch nie wer was blödes deswegen gesagt. und das obwohl ich ne dramascheidung hingelegt habe ...

ich verstehe dich aber sehr gut, weil mir eventuell etwas bevorsteht, was vergleichbar ist mit dem was ich als "outing" empfinde. höchst unangenehm.

wem würdest du denn am liebsten sagen, dass du schwul bist?

Rippchen - 13. Aug, 22:30

Ich kann mich in so eine Situation, nicht wirklich rein versetzen.. ich weiß nur, daß im Falle eines "Outings" von egal-welchem in meiner Familie meine Eltern total durchdrehen würden..
Aber vermutlich würden sie irgendwann, wie Dus oben so schön beschrieben hat, diese Menschen einfach nur wieder als Menschen wahrnehmen.. und nicht als schwul oder lesbisch.
"Outen" brauchst du dich nur dann, wenn du das Gefühl hast, daß es für dich "richtig" und "wichtig" ist.. :)
Lieben Gruß!
Greedy - 13. Aug, 23:33

Ich möchte es an Wände schreiben

Wem ich es gerne sagen würde?

Am liebsten würde ich es an Wände schreiben und es von Häusern schreien... Die Wörter kitzeln mir auf der Zunge.

Aber wie gesagt, habe ich in letzter Zeit, nicht wirklich viele Menschen nah genug an mich herrangelassen, als dass ich mich ihnen anvertrauen wollen würde... mein Bruder ist mir wohl der Wichtigste!
Aber er ist auch der, der es warscheinlich am wenigsten verstehen wird... von daher wird er erst mal warten müssen!
Mein bester Freund... er ist mir auch sehr wichtig...
dus - 14. Aug, 09:34

deinen bisherigen erzählungen entnehme ich, dass du mit 20 schon sehr selbstständig bist und auch deinen eigenen lebensraum hast und dein leben überdurchschnittlich unabhängig bestreitest für 20 jahre.

hast du denn abgesehen von psychischen bindungen, die wir alle haben (und auch bzw. besonders in schwierigen kind-eltern-verhältnissen) abhängigkeiten finanzieller natur etc.?
ich stelle nur so viele fragen - nicht um dich auszuhorchen- sondern vielleicht ergibt sich, warum du "es" nicht an die wände schreibst obwohl du den wunsch hast. wie rippchen schreibt, "wenn es dir wichtig ist". und du es aber nicht tust. dann blockiert dich irgendwas.

du könntest ja wirklich mal an eine wand schreiben "ich bin schwul". vielleicht so, dass es wieder abgeht und nix kaputt gemacht wird. vielleicht an deinen badezimmerspiegel.

ps. wenn eltern durchdrehen weil ihr kind homo ist dann ist das in der regel relativ leicht durchschaubar. es gibt sehr eingefahrene menschen, die kommen nicht klar, wenn wer oder was von der "norm" abweicht. das ist schwierig aber eigentlich deren problem. und dann gibts die eltern, besonders mütter, die sich davon verabschieden müssen, dass dieses kind einmal enkelkinder "liefern" wird, das war früher ein großes thema. wobei sich die gesellschaft wandelt und es gibt mehr und mehr "regenbogenfamilien" und auch schwule männer, die zusammen mit frauen verantwortung für kinder übernehmen. und dann gibts eltern, die aus einer anderen generation kommen, in der es schwule schwer hatten die machen sich einfach nur sorgen, dass das kind vielleicht leidet oder isoliert ist. oder sie haben angst weil sie in den medien hören, dass schwule aids kriegen und der ganze käse... hier ist die ursache, dass die eltern ihrem kind ein gutes leben wünschen und aufgrund veralteter hypothesen davon ausgehen, dass schwulsein probematisch ist. aber diese eltern können sich updaten, indem sie sich informieren. es gibt auch selbsthilfegruppen für eltern homosexueller kinder.

wie gesagt kann ich nicht ausschliessen, dass es männer heute noch schwerer haben als frauen, ich glaube weibliche homosexualität wird in der gesellschaft mehr geduldet. das ist ungefährlich. das ist ja auch nett anzusehen. und auch beliebtes element in porno-streifen. aber zwei männer, die sich lieben, das ist vorallem für manche männer gefahr! daran sind aber nicht die schwulen schuld sondern unsere gesellschaft, unsere rollenbilder.

aber man darf nicht vergessen was sich getan hat die letzten jahrzehnte. wir homos galten früher als psychisch krank. es gab den paragraphen, der die liebe unter männern verboten hat. alles vergangenheit. weil menschen mutig waren und sich gezeigt haben. nur so entsteht selbstverständlichkeit. und ich wünsche mir, dass es in unserer gesellschaft in sagen wir 10-20 jahren kein problem mehr sein wird, wenn ein 20-jähriger schwul ist. und dass einer wie du zu diesem zeitpunkt keine angst haben muss und garnicht auf die idee kommt sich zu verstecken.

eltern die ihre kinder lieben "drehen" vielleicht im ersten moment "durch", das kann viele gründe haben. aber die liebe zum kind ist in der regel stärker. und wenn nicht: dann war auch vor dem outen nicht genug liebe da. das ist sehr schmerzlich aber damit kann man umgehen lernen. auch wenn so ein leben schwieriger ist als ein leben mit eltern, die einen lieben wie man ist.

und: das kind ist nicht daran schuld, wenn es nicht so ist wie andere meinen oder wünschen, dass es zu sein hat.

und: geschwister sollte man nicht unterschätzen in ihrer toleranz. sie sind oft aus dem selben fleisch und blut, je nach altersunterschied sind sie die menschen, die einen am besten kennen und oft passiert folgendes (betrifft nicht nur geschwister):

greedy: ich bin schwul.
umwelt: das habe ich mir schon gedacht.
Greedy - 15. Aug, 00:50

Hey,

Also finanzell abhänig bin ich nicht mehr, ich werde zwar ein wenig finanziell unterstützt von meiner Familie, aber ich würde auch zurechtkommen, wenn das nicht der Fall wäre.

Viel von dem was du sagst ist versändlich und gut nachvollziehbar, aber ich bin einfach noch nicht so weit mich zu outen...
Ich glaube ich bin der erste der mich vollkommen akzeptieren muss, wie ich bin, bevor das andere tun können und desshalb schreib ich ein bisschen über mein Leben, das ist zwar keine Wand hier aber zumindest ist es etwas handfester als ein reiner Gedanke.
dus - 17. Aug, 10:23

joa klar, mach das so :-)
ist ja eine wand. eine virtuelle wand!
:-D

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